Veröffentlicht am 11. März 2022
News Innovation – EPÜ reloaded: Das neue europäische Patentsystem
Aus dem Programm des Technologietransfer-Kongresses am 04. Mai 2022. Ein Gastbeitrag von Dr. Stefan Gehrsitz, Charrier Rapp und Liebau.
Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte wird ein neues europäisches Patentsystem in Kraft treten. Es ist eingebunden in das bisherige Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) und umfasst ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung für (fast) alle EU-Staaten (Einheitspatent) und ein neues europäisches Patentgericht (Einheitliches Patentgericht).
Nach langer Vorbereitungszeit und einer ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat der Deutsche Bundestag im zweiten Anlauf im November 2020 das Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht beschlossen und auch der Bundesrat hat dem Gesetz einstimmig zugestimmt. Nachdem zwei weitere Verfassungsbeschwerden gegen eine Ratifizierung des neuen Übereinkommens zum europäischen Patentgesetzes zurückgewiesen wurden, ist nun der Weg für eine (für die Umsetzung des neuen Systems zwingend erforderliche) deutsche Beteiligung an der europäischen Patentreform endgültig frei. Es wird erwartet, dass Deutschland das Übereinkommen Mitte des Jahres 2022 ratifiziert, wodurch das neue europäische Patentsystem dann vier Monate später in Kraft treten wird.
24 EU-Mitgliedsstaaten: Vereinfachung des Validierungsprozesses und der Einsparung von Kosten
Das neue Einheitspatent (auch als „Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung“ bezeichnet) ermöglicht es, mit Stellung eines einzigen Antrags Patentschutz in bis zu 24 EU-Mitgliedstaaten zu erhalten. Die Prüfung und Erteilung des Einheitspatents unterliegt dem Europäischen Patentamt, das auch weiterhin für die Erteilung europäischer Patente mit Wirkung für europäische Länder außerhalb der EU, wie z.B. der Schweiz, Großbritannien und Norwegen, sowie der nicht am neuen Einheitspatent teilnehmenden EU-Staaten (Spanien, Polen und Kroatien) zuständig ist. Das Einheitspatent koexistiert damit neben dem klassischen Europäischen „Bündelpatent“, das nach seiner Erteilung in den vom Anmelder ausgewählten Staaten validiert werden muss und danach in ein Bündel von nationalen Patenten in den ausgewählten Staaten zerfällt. Ein wesentlicher Vorteil des neuen Einheitspatents liegt in einer Vereinfachung des Validierungsprozesses und der Einsparung von Kosten, insbesondere für Übersetzungen, die für die Validierung eines herkömmlichen Europäischen Patents anfallen.
Weitere Vorteile des neuen europäischen Patentsystems basieren auf der Einrichtung des neuen Einheitlichen Patentgerichts (EPG). Dabei handelt es sich um ein von den teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten errichtetes, grenzüberschreitend zuständiges Zivilgericht, das für Fragen der Verletzung und der Rechtsgültigkeit sowohl von Einheitspatenten als auch von europäischen Patenten in den teilnehmenden EU-Staaten zuständig ist.
Einfachere Prozesse und größerer Schutz für Erfindungen von KMU-Betrieben
Das Einheitliche Patentgericht setzt sich aus einer Zentralkammer mit Sitz in Paris und einer Außenstelle in München sowie mehreren National- oder Regionalkammern in den teilnehmenden EU-Ländern zusammen. Die Zentralkammer ist zuständig für isolierte Nichtigkeitsklagen gegen den Rechtsbestand von erteilten Einheitspatenten und europäischen Patenten, die dem neuen Gerichtssystem unterliegen, sowie - in besonderen Fällen - für Verletzungsklagen und negative Feststellungsklagen. Die National- oder Regionalkammern sind zuständig für Verletzungsprozesse, in denen Ansprüche wegen Verletzung eines Einheitspatents oder eines dem neuen Gerichtssystem unterlegenen europäischen Patents geltend gemacht werden, sowie für Nichtigkeits-Widerklagen, die vom Beklagten gegen den Rechtsbestand des Klagepatents im Rahmen des Verletzungsprozesses erhoben werden. In einem Verletzungsprozess vor dem Einheitlichen Patentgericht kann der Patentinhaber alle Verletzungsansprüche, insbesondere auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz, für alle teilnehmenden EU-Länder in einem Klageverfahren durchsetzen. Dies führt zu einer erheblichen Vereinfachung der EU-weiten Rechtsdurchsetzung bei einer Patentverletzung, da eine mehrfache Prozessführung in verschiedenen Ländern vermieden werden kann.
Die Bausteine der europäischen Patentreform ergänzen damit das bestehende zentralisierte europäische Patenterteilungssystem und bieten den Nutzern eine kosteneffiziente Option für Patentschutz und eine einheitliche Streitregelung in der EU. Dies ist von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung, da das Einheitliche Patentgericht über Rechtsverletzungen sowie die Wirksamkeit von Schutztiteln in einem zentralisierten Verfahren entscheiden und damit kostengünstig Rechtssicherheit im gemeinsamen Markt herstellen kann. Der Schutz von Erfindungen wird insbesondere für die auf zukunftsorientierten Innovationsfeldern tätigen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) deutlich verbessert.
Aus dem Programm des Technologietransfer-Kongresses am 04. Mai 2022. Ein Gastbeitrag von Dr. Stefan Gehrsitz, Charrier Rapp und Liebau.
Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte wird ein neues europäisches Patentsystem in Kraft treten. Es ist eingebunden in das bisherige Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) und umfasst ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung für (fast) alle EU-Staaten (Einheitspatent) und ein neues europäisches Patentgericht (Einheitliches Patentgericht).
Nach langer Vorbereitungszeit und einer ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat der Deutsche Bundestag im zweiten Anlauf im November 2020 das Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht beschlossen und auch der Bundesrat hat dem Gesetz einstimmig zugestimmt. Nachdem zwei weitere Verfassungsbeschwerden gegen eine Ratifizierung des neuen Übereinkommens zum europäischen Patentgesetzes zurückgewiesen wurden, ist nun der Weg für eine (für die Umsetzung des neuen Systems zwingend erforderliche) deutsche Beteiligung an der europäischen Patentreform endgültig frei. Es wird erwartet, dass Deutschland das Übereinkommen Mitte des Jahres 2022 ratifiziert, wodurch das neue europäische Patentsystem dann vier Monate später in Kraft treten wird.
24 EU-Mitgliedsstaaten: Vereinfachung des Validierungsprozesses und der Einsparung von Kosten
Das neue Einheitspatent (auch als „Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung“ bezeichnet) ermöglicht es, mit Stellung eines einzigen Antrags Patentschutz in bis zu 24 EU-Mitgliedstaaten zu erhalten. Die Prüfung und Erteilung des Einheitspatents unterliegt dem Europäischen Patentamt, das auch weiterhin für die Erteilung europäischer Patente mit Wirkung für europäische Länder außerhalb der EU, wie z.B. der Schweiz, Großbritannien und Norwegen, sowie der nicht am neuen Einheitspatent teilnehmenden EU-Staaten (Spanien, Polen und Kroatien) zuständig ist. Das Einheitspatent koexistiert damit neben dem klassischen Europäischen „Bündelpatent“, das nach seiner Erteilung in den vom Anmelder ausgewählten Staaten validiert werden muss und danach in ein Bündel von nationalen Patenten in den ausgewählten Staaten zerfällt. Ein wesentlicher Vorteil des neuen Einheitspatents liegt in einer Vereinfachung des Validierungsprozesses und der Einsparung von Kosten, insbesondere für Übersetzungen, die für die Validierung eines herkömmlichen Europäischen Patents anfallen.
Weitere Vorteile des neuen europäischen Patentsystems basieren auf der Einrichtung des neuen Einheitlichen Patentgerichts (EPG). Dabei handelt es sich um ein von den teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten errichtetes, grenzüberschreitend zuständiges Zivilgericht, das für Fragen der Verletzung und der Rechtsgültigkeit sowohl von Einheitspatenten als auch von europäischen Patenten in den teilnehmenden EU-Staaten zuständig ist.
Einfachere Prozesse und größerer Schutz für Erfindungen von KMU-Betrieben
Das Einheitliche Patentgericht setzt sich aus einer Zentralkammer mit Sitz in Paris und einer Außenstelle in München sowie mehreren National- oder Regionalkammern in den teilnehmenden EU-Ländern zusammen. Die Zentralkammer ist zuständig für isolierte Nichtigkeitsklagen gegen den Rechtsbestand von erteilten Einheitspatenten und europäischen Patenten, die dem neuen Gerichtssystem unterliegen, sowie - in besonderen Fällen - für Verletzungsklagen und negative Feststellungsklagen. Die National- oder Regionalkammern sind zuständig für Verletzungsprozesse, in denen Ansprüche wegen Verletzung eines Einheitspatents oder eines dem neuen Gerichtssystem unterlegenen europäischen Patents geltend gemacht werden, sowie für Nichtigkeits-Widerklagen, die vom Beklagten gegen den Rechtsbestand des Klagepatents im Rahmen des Verletzungsprozesses erhoben werden. In einem Verletzungsprozess vor dem Einheitlichen Patentgericht kann der Patentinhaber alle Verletzungsansprüche, insbesondere auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz, für alle teilnehmenden EU-Länder in einem Klageverfahren durchsetzen. Dies führt zu einer erheblichen Vereinfachung der EU-weiten Rechtsdurchsetzung bei einer Patentverletzung, da eine mehrfache Prozessführung in verschiedenen Ländern vermieden werden kann.
Die Bausteine der europäischen Patentreform ergänzen damit das bestehende zentralisierte europäische Patenterteilungssystem und bieten den Nutzern eine kosteneffiziente Option für Patentschutz und eine einheitliche Streitregelung in der EU. Dies ist von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung, da das Einheitliche Patentgericht über Rechtsverletzungen sowie die Wirksamkeit von Schutztiteln in einem zentralisierten Verfahren entscheiden und damit kostengünstig Rechtssicherheit im gemeinsamen Markt herstellen kann. Der Schutz von Erfindungen wird insbesondere für die auf zukunftsorientierten Innovationsfeldern tätigen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) deutlich verbessert.