Veröffentlicht am 5. Oktober 2021
News Immobilien – Wiederverwendbare Bauten nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip
Wie können Bauten zukünftig wiederverwendbar und rückbaubarer gestaltet werden? Das Aichacher Unternehmen „ZÜBLIN Timber“ schlägt bereits neue Wege hin zu mehr Recycling und Nachhaltigkeit ein. Gemeinsam mit dem Architekturbüro „Kaden & Lager“ und deren Bauprojekt „SKAIO“ in Heilbronn, dem ersten Holzhochhaus Deutschlands, wurde ein weitgehend rückbaubares Baukonzept realisiert. Karl-Heinz Roth leitet bei „ZÜBLIN Timber“ den Bereich Holzbau + Fassade und war im Rahmen dieser Funktion für das Projekt mitverantwortlich und erklärt dazu die wichtigsten Aspekte.
Herr Roth, wie sehen wiederverwendbare Bauten aus?
Karl-Heinz Roth: Bislang ist es oft schwierig, einzelne Stoffe sortenrein aus den Bauten wieder herauszuholen, da eine Wiedernutzung bei der Planung noch nicht mitgedacht wurde. Die Bauherren, die Stadtsiedlung Heilbronn GmbH und die Planer von Kaden & Lager bei SKAIO, wollen dies anders machen: Sie haben sich bei der Umsetzung am Cradle-to-Cradle-Prinzip orientiert, das heißt, Gebäude sollen so geplant werden, dass die eingesetzten Baustoffe entweder vollständig recyclebar oder komplett abbaubar sind.
Wie muss man sich das bei einem Gebäude in der Praxis vorstellen?
Roth: In Heilbronn sind viele Teile des Gebäudes komplett demontierbar. Beim Holzbau werden für den Schallschutz normalerweise etwa die Decken mit Granulat zum Beschweren verklebt. Wir haben stattdessen mit einer Wabenstruktur aus gepresster Pappe gearbeitet, die mit Beschwerungsmaterial aufgefüllt wird, das auch wieder komplett entfernt werden kann. Für das Collegium Academicum in Heidelberg haben wir Elemente in Brettschichtholz, Bau-Buche und Brettsperrholz gefertigt. Dabei wurde im Tragwerkskonzept weitestgehend auf metallische Verbindungsmittel verzichtet und der statische Verbund wie bei traditionellen Zimmermannsbauten durch Form und Fügung der Holzelemente gesichert. Mit beweglichen Trennwänden können die Wohnungen dort auch an flexible Bedürfnisse angepasst werden.
Wo sehen Sie technologisch noch die größten Herausforderungen?
Roth: Beim Holz ist der Grundgedanke des Cradle-to-Cradle schon da: Vieles kann man wieder demontieren, aber das muss auch sortenrein und ohne stoffliche Verschmutzung gelingen. Alles, was verschraubt ist, ist gut trennbar. Allerdings muss man darauf achten, dass man nicht in Zielkonflikte gerät, wenn mehr Material als vorher eingesetzt werden muss, um dieselbe Stabilität zu erreichen. Auch alle angrenzenden Bereiche wie beispielsweise Dichtungen oder weitere geklebte Materialien zu ersetzen und rückbaufähig zu machen, ist noch eine große Herausforderung.
Würden Sie Bauherren empfehlen, sich weiter mit dem Thema Rückbaubarkeit und Cradle-to-Cradle zu beschäftigen?
Roth: Nachhaltiges Bauen ist ein Zukunftsthema. Für Bauherren ist Cradle-to-Cradle allerdings eine Qualität des Bauens, für die man erst einmal ein Bewusstsein entwickeln muss. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt: So wie heute der „Blaue Engel“ Standard ist, wird in 20 Jahren auch Cradle-to-Cradle Standard sein. Aktuell ist für viele Bauherren auch der Zertifizierungsprozess noch eine Herausforderung. Für Nachahmer empfiehlt sich daher, sich erst einmal auf Teilbereiche eines Projektes zu konzentrieren. Oder zu versuchen mit einem Pilotprojekt mit Fördertöpfen zu arbeiten. Vor der Rückbaubarkeit ist übrigens die Flexibilität der Architektur und die Möglichkeiten von Umbau und Umnutzung wichtig! Kommt es tatsächlich zum Rückbau, ist der Gedanke an die Wiederverwendung und sekundäre Nutzung von Elementen wichtig: Holzwände kann man wieder nutzen und aus Brettsperrholzplatten könnte man Marktstände bauen. All diese Lösungen werden vermutlich dann interessant werden, wenn Rohstoffe verknappen und die Entsorgungskosten steigen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies bei heute gebauten Gebäuden bei einem Abbruch in Zukunft der Fall sein wird.
Quelle/Medium: In Kooperation mit http://www.augsburger-allgemeine.de
Gekürzte Version des am 02.10.2021 in der AZ-Immobörse erschienenen Artikels.
Wie können Bauten zukünftig wiederverwendbar und rückbaubarer gestaltet werden? Das Aichacher Unternehmen „ZÜBLIN Timber“ schlägt bereits neue Wege hin zu mehr Recycling und Nachhaltigkeit ein. Gemeinsam mit dem Architekturbüro „Kaden & Lager“ und deren Bauprojekt „SKAIO“ in Heilbronn, dem ersten Holzhochhaus Deutschlands, wurde ein weitgehend rückbaubares Baukonzept realisiert. Karl-Heinz Roth leitet bei „ZÜBLIN Timber“ den Bereich Holzbau + Fassade und war im Rahmen dieser Funktion für das Projekt mitverantwortlich und erklärt dazu die wichtigsten Aspekte.
Herr Roth, wie sehen wiederverwendbare Bauten aus?
Karl-Heinz Roth: Bislang ist es oft schwierig, einzelne Stoffe sortenrein aus den Bauten wieder herauszuholen, da eine Wiedernutzung bei der Planung noch nicht mitgedacht wurde. Die Bauherren, die Stadtsiedlung Heilbronn GmbH und die Planer von Kaden & Lager bei SKAIO, wollen dies anders machen: Sie haben sich bei der Umsetzung am Cradle-to-Cradle-Prinzip orientiert, das heißt, Gebäude sollen so geplant werden, dass die eingesetzten Baustoffe entweder vollständig recyclebar oder komplett abbaubar sind.
Wie muss man sich das bei einem Gebäude in der Praxis vorstellen?
Roth: In Heilbronn sind viele Teile des Gebäudes komplett demontierbar. Beim Holzbau werden für den Schallschutz normalerweise etwa die Decken mit Granulat zum Beschweren verklebt. Wir haben stattdessen mit einer Wabenstruktur aus gepresster Pappe gearbeitet, die mit Beschwerungsmaterial aufgefüllt wird, das auch wieder komplett entfernt werden kann. Für das Collegium Academicum in Heidelberg haben wir Elemente in Brettschichtholz, Bau-Buche und Brettsperrholz gefertigt. Dabei wurde im Tragwerkskonzept weitestgehend auf metallische Verbindungsmittel verzichtet und der statische Verbund wie bei traditionellen Zimmermannsbauten durch Form und Fügung der Holzelemente gesichert. Mit beweglichen Trennwänden können die Wohnungen dort auch an flexible Bedürfnisse angepasst werden.
Wo sehen Sie technologisch noch die größten Herausforderungen?
Roth: Beim Holz ist der Grundgedanke des Cradle-to-Cradle schon da: Vieles kann man wieder demontieren, aber das muss auch sortenrein und ohne stoffliche Verschmutzung gelingen. Alles, was verschraubt ist, ist gut trennbar. Allerdings muss man darauf achten, dass man nicht in Zielkonflikte gerät, wenn mehr Material als vorher eingesetzt werden muss, um dieselbe Stabilität zu erreichen. Auch alle angrenzenden Bereiche wie beispielsweise Dichtungen oder weitere geklebte Materialien zu ersetzen und rückbaufähig zu machen, ist noch eine große Herausforderung.
Würden Sie Bauherren empfehlen, sich weiter mit dem Thema Rückbaubarkeit und Cradle-to-Cradle zu beschäftigen?
Roth: Nachhaltiges Bauen ist ein Zukunftsthema. Für Bauherren ist Cradle-to-Cradle allerdings eine Qualität des Bauens, für die man erst einmal ein Bewusstsein entwickeln muss. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt: So wie heute der „Blaue Engel“ Standard ist, wird in 20 Jahren auch Cradle-to-Cradle Standard sein. Aktuell ist für viele Bauherren auch der Zertifizierungsprozess noch eine Herausforderung. Für Nachahmer empfiehlt sich daher, sich erst einmal auf Teilbereiche eines Projektes zu konzentrieren. Oder zu versuchen mit einem Pilotprojekt mit Fördertöpfen zu arbeiten. Vor der Rückbaubarkeit ist übrigens die Flexibilität der Architektur und die Möglichkeiten von Umbau und Umnutzung wichtig! Kommt es tatsächlich zum Rückbau, ist der Gedanke an die Wiederverwendung und sekundäre Nutzung von Elementen wichtig: Holzwände kann man wieder nutzen und aus Brettsperrholzplatten könnte man Marktstände bauen. All diese Lösungen werden vermutlich dann interessant werden, wenn Rohstoffe verknappen und die Entsorgungskosten steigen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies bei heute gebauten Gebäuden bei einem Abbruch in Zukunft der Fall sein wird.
Quelle/Medium: In Kooperation mit http://www.augsburger-allgemeine.de
Gekürzte Version des am 02.10.2021 in der AZ-Immobörse erschienenen Artikels.