Expertise Nachhaltiges Wirtschaften – Urbane Resilienz in der Stadtentwicklung - Dr. Sebastian Purwins
Dr. Sebastian Purwins ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Urbane Klimaresilienz am Zentrum für Klimaresilienz der Universität Augsburg.
Das Thema urbane Resilienz gewinnt auch in der internationalen Stadtentwicklungspolitik zunehmend an Bedeutung. Was versteht man unter urbaner Resilienz – und warum ist sie gerade jetzt so zentral?
Urbane Resilienz beschreibt die Fähigkeit städtischer Systeme, auf Krisen und Belastungen nicht nur zu reagieren, sondern sich anzupassen, zu transformieren und daraus zu lernen. Sie ist weit mehr als Katastrophenschutz oder Krisenmanagement; sie verbindet ökologische, soziale und ökonomische Dimensionen zu einem neuen Leitbild nachhaltiger Stadtentwicklung. Der Begriff hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt: Weg von einem statischen „Zurückfedern“ nach einer Krise („bouncing back“) hin zu einem dynamischen „bouncing forward“, das Veränderung und Lernen einschließt. Gerade in den G7-Staaten zeigt sich, dass Städte im Zentrum globaler Herausforderungen stehen, von Hitzewellen über Energieengpässe bis zu geopolitischen Spannungen. Resilienz wird damit zu einer strategischen Kategorie urbaner Politik, die nicht nur Schutz, sondern Gestaltung umfasst. Sie verlangt, dass Städte lernen, mit Unsicherheit zu leben und diese produktiv in Planung, Verwaltung und Gesellschaft zu integrieren. Insofern ist urbane Resilienz kein Sonderthema, sondern Ausdruck eines neuen Verständnisses von Stadt als lernendem, adaptivem und vernetztem Organismus.
Was sind zentrale Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung urbaner Resilienz?
Der internationale Vergleich zeigt deutlich, dass Resilienz dort am wirksamsten wird, wo sie institutionell verankert, interdisziplinär gedacht und sozial verhandelt ist. Drei Dimensionen sind zentral: Erstens naturbasierte Lösungen, die ökologische und technische Infrastrukturen verbinden, wie Deichrückverlagerungen, Stadtgrün oder blau-grüne Netzwerke. Zweitens Co-Ownership und Beteiligung: Resilienz braucht geteilte Verantwortung zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Beteiligung darf nicht bloß symbolisch sein, sondern muss Mitsprache, Mitentscheidung und Mitfinanzierung ermöglichen. Drittens adaptive Planung: Resilienzstrategien müssen flexibel und lernfähig bleiben, statt auf starre Zielvorgaben zu setzen. Besonders aufschlussreich ist, dass die technische Dimension, etwa Frühwarnsysteme oder digitale Zwillinge, nur dann Wirkung entfaltet, wenn Verwaltung und Governance-Strukturen darauf ausgerichtet sind. Deshalb sprechen wir von der Notwendigkeit zusätzlicher Verantwortung. Hierzu zählen Resilienzbeiräte, Chief Resilience Officers und ressortübergreifende Koordinationseinheiten. Ebenso wichtig sind verlässliche Finanzierungsinstrumente – von Green Bonds über EU-Strukturfonds bis zu langfristigen Förderlogiken. Resilienz kann nicht in befristeten Projektzyklen entstehen, sie braucht Kontinuität, Personal und institutionelles Gedächtnis. Erfolgreiche Städte zeichnen sich dadurch aus, dass sie Resilienz als Daueraufgabe verstehen, nicht als temporäre Reaktion auf Krisen.
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die deutsche Stadtentwicklung und Verwaltungspraxis?
Für Deutschland bedeutet das vor allem, Resilienz nicht länger fragmentarisch, sondern strategisch zu begreifen. Heute ist das Thema über viele Zuständigkeiten verteilt, Klimaanpassung, Katastrophenschutz, Daseinsvorsorge, Stadtplanung. Dadurch entstehen Koordinationsprobleme, Kompetenzlücken und ineffiziente Doppelstrukturen. Die Ergebnisse der BBSR-Studien “Urbane Resilienz in den G7 Staaten” legen nahe, dass urbane Resilienz zur Pflichtaufgabe kommunaler Planung werden sollte – ähnlich wie Klimaschutz oder Nachhaltigkeit. Auf nationaler Ebene braucht es klare Rahmenbedingungen und Förderinstrumente, auf kommunaler Ebene integrierte Strategien, die Governance, Finanzen und Beteiligung verbinden. Resilienz darf weder rein technokratisch noch moralisch überfrachtet gedacht werden. Sie ist ein institutionelles Lernprogramm, das erfordert, Verwaltungspersonal als „Change Agents“ zu stärken, Zuständigkeiten zu vernetzen und Wissen systematisch auszutauschen. Städte wie Barcelona oder Zürich zeigen, dass interdisziplinäre Resilienzboards und offene Kommunikationsstrukturen entscheidend sind, um Wandel zu steuern. Gleichzeitig müssen Fragen sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Transformation eng mitgedacht werden: Wer profitiert von Resilienzmaßnahmen? Wer trägt die Kosten? Und wer hat Zugang zu den Ressourcen, die Anpassung ermöglichen? Urbane Resilienz ist damit letztlich eine Frage demokratischer Steuerung. Sie verlangt politisches Verantwortungsbewusstsein, institutionelle Kreativität und die Bereitschaft, aus Krisen kollektiv zu lernen.
Dr. Sebastian Purwins ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Urbane Klimaresilienz am Zentrum für Klimaresilienz der Universität Augsburg.
Das Thema urbane Resilienz gewinnt auch in der internationalen Stadtentwicklungspolitik zunehmend an Bedeutung. Was versteht man unter urbaner Resilienz – und warum ist sie gerade jetzt so zentral?
Urbane Resilienz beschreibt die Fähigkeit städtischer Systeme, auf Krisen und Belastungen nicht nur zu reagieren, sondern sich anzupassen, zu transformieren und daraus zu lernen. Sie ist weit mehr als Katastrophenschutz oder Krisenmanagement; sie verbindet ökologische, soziale und ökonomische Dimensionen zu einem neuen Leitbild nachhaltiger Stadtentwicklung. Der Begriff hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt: Weg von einem statischen „Zurückfedern“ nach einer Krise („bouncing back“) hin zu einem dynamischen „bouncing forward“, das Veränderung und Lernen einschließt. Gerade in den G7-Staaten zeigt sich, dass Städte im Zentrum globaler Herausforderungen stehen, von Hitzewellen über Energieengpässe bis zu geopolitischen Spannungen. Resilienz wird damit zu einer strategischen Kategorie urbaner Politik, die nicht nur Schutz, sondern Gestaltung umfasst. Sie verlangt, dass Städte lernen, mit Unsicherheit zu leben und diese produktiv in Planung, Verwaltung und Gesellschaft zu integrieren. Insofern ist urbane Resilienz kein Sonderthema, sondern Ausdruck eines neuen Verständnisses von Stadt als lernendem, adaptivem und vernetztem Organismus.
Was sind zentrale Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung urbaner Resilienz?
Der internationale Vergleich zeigt deutlich, dass Resilienz dort am wirksamsten wird, wo sie institutionell verankert, interdisziplinär gedacht und sozial verhandelt ist. Drei Dimensionen sind zentral: Erstens naturbasierte Lösungen, die ökologische und technische Infrastrukturen verbinden, wie Deichrückverlagerungen, Stadtgrün oder blau-grüne Netzwerke. Zweitens Co-Ownership und Beteiligung: Resilienz braucht geteilte Verantwortung zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Beteiligung darf nicht bloß symbolisch sein, sondern muss Mitsprache, Mitentscheidung und Mitfinanzierung ermöglichen. Drittens adaptive Planung: Resilienzstrategien müssen flexibel und lernfähig bleiben, statt auf starre Zielvorgaben zu setzen. Besonders aufschlussreich ist, dass die technische Dimension, etwa Frühwarnsysteme oder digitale Zwillinge, nur dann Wirkung entfaltet, wenn Verwaltung und Governance-Strukturen darauf ausgerichtet sind. Deshalb sprechen wir von der Notwendigkeit zusätzlicher Verantwortung. Hierzu zählen Resilienzbeiräte, Chief Resilience Officers und ressortübergreifende Koordinationseinheiten. Ebenso wichtig sind verlässliche Finanzierungsinstrumente – von Green Bonds über EU-Strukturfonds bis zu langfristigen Förderlogiken. Resilienz kann nicht in befristeten Projektzyklen entstehen, sie braucht Kontinuität, Personal und institutionelles Gedächtnis. Erfolgreiche Städte zeichnen sich dadurch aus, dass sie Resilienz als Daueraufgabe verstehen, nicht als temporäre Reaktion auf Krisen.
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die deutsche Stadtentwicklung und Verwaltungspraxis?
Für Deutschland bedeutet das vor allem, Resilienz nicht länger fragmentarisch, sondern strategisch zu begreifen. Heute ist das Thema über viele Zuständigkeiten verteilt, Klimaanpassung, Katastrophenschutz, Daseinsvorsorge, Stadtplanung. Dadurch entstehen Koordinationsprobleme, Kompetenzlücken und ineffiziente Doppelstrukturen. Die Ergebnisse der BBSR-Studien “Urbane Resilienz in den G7 Staaten” legen nahe, dass urbane Resilienz zur Pflichtaufgabe kommunaler Planung werden sollte – ähnlich wie Klimaschutz oder Nachhaltigkeit. Auf nationaler Ebene braucht es klare Rahmenbedingungen und Förderinstrumente, auf kommunaler Ebene integrierte Strategien, die Governance, Finanzen und Beteiligung verbinden. Resilienz darf weder rein technokratisch noch moralisch überfrachtet gedacht werden. Sie ist ein institutionelles Lernprogramm, das erfordert, Verwaltungspersonal als „Change Agents“ zu stärken, Zuständigkeiten zu vernetzen und Wissen systematisch auszutauschen. Städte wie Barcelona oder Zürich zeigen, dass interdisziplinäre Resilienzboards und offene Kommunikationsstrukturen entscheidend sind, um Wandel zu steuern. Gleichzeitig müssen Fragen sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Transformation eng mitgedacht werden: Wer profitiert von Resilienzmaßnahmen? Wer trägt die Kosten? Und wer hat Zugang zu den Ressourcen, die Anpassung ermöglichen? Urbane Resilienz ist damit letztlich eine Frage demokratischer Steuerung. Sie verlangt politisches Verantwortungsbewusstsein, institutionelle Kreativität und die Bereitschaft, aus Krisen kollektiv zu lernen.
Kontakt
Zentrum für Klimaresilienz
86159 Augsburg
0821 59848074802
https://www.uni-augsburg.de/de/forschung/einrichtungen/institute/zentrum-fur-klimaresilienz/